Tag 26: Di. 10.9.
Madidi - Nationalpark
Heute startet der zweite Teil der Tour, die Regenwaldtour. In der Reiseagentur stellten wir fest, dass außer den 2 Australierinnen auch noch die 2 Schweizer gebucht hatten. Eigentlich soll die Tour nur zu fünft durchgeführt werden.
Nach dem Frühstück liefen wir runter zum Beni. Dort stand ein Boot bereit. Sogar Schwimmwesten bekamen wir. Die machten sich gut zum drauf Sitzen. einer der Führer von gestern war diesmal als Koch dabei. Er hatte gut von Mama gelernt. Die Fahrt führte erst nach San Buenaventura auf die andere Seite des Flusses. Hier musste der Eintritt in den Madidi - Nationalpark entrichtet werden. Dann fuhren wir 4 Stunden flussaufwärts. Der Motor war diesmal weitaus stärker. Die Strömung des Beni ist auch in der Trockenzeit stark. Der Fluss vereinigt sich im Norden des Landes mit dem Mamoré zum Madeira und in Brasilien fließt er in den Amazonas. Ab und zu hielten wir am Ufer und nahmen Passagiere auf oder setzten sie wieder ab. Die Fahrt ging schon wieder durch wunderschöne Landschaft. Mal bergig, mal flacher, aber immer war rechts und links Regenwald.
Am Ziel unserer Fahrt begrüßte uns ein Schwarm Schmetterlinge, der sich durch uns überhaupt nicht stören ließ. Wir nahmen das Gepäck und gingen einen halben Kilometer in den Wald. Dort war unser Camp.
So, wie wir den Wald betraten, umhüllte uns eine Luftfeuchtigkeit, die größer nicht sein konnte. Es war, als hätte jemand die Tür zum Tropenhaus aufgemacht. Schon im Camp fingen wir an zu schwitzen, was sich bis zur Abreise nicht ändern sollte. Wenn wir schon erstaunt waren, wie viele Insekten es in der Pampa gab, konnten wir hier nur drüber lachen. Die ganze Luft summte von Fliegen, Mücken, Schmetterlingen und Käfern. Grillen und Vögel verstärkten die Geräuschkulisse. Beim Essen schlugen wir die ganze Zeit wild um uns. Ein neugieriger handtellergroßer blau - roter Schmetterling setzte sich an meine Hose und rüsselte mit einem ca. 4 cm langem Sauger an mir dran rum. Hunderte von Schmetterlingen waren draußen vor der Schlafstelle. Kunterbunt alles. Aber das Besondere im Regenwald sind die Pflanzen. Größere Tiere hört man meistens nur. Sehen konnten wir die Großen fast gar nicht. Der Wald ist unglaublich dicht. Fast jeder Baum ist bewachsen mit Lianen, Bromelien und anderen Epiphyten. Leben satt. Hier lässt die Natur alles raus, was sie hat.
Am Nachmittag gab es die erste zweistündige Wanderung.
Zuerst erklärte uns unser Führer Rinaldo Jesús, dass wir langärmliche Sachen
anziehen sollen. Zusätzlich müssen die Hosen unten zugebunden oder in
Strümpfe drübergezogen werden. Und ja nix anfassen. Hinter jedem Baum könnten
Spinnen sitzen, der Baum kann Stacheln haben oder ganz einfach tödlich giftig
sein. Schöne Aussichten und schon gings los. Wir schauten überall hin. Am
Boden gibts 4 bis 5 giftige Schlangenarten. Schöön vorsichtig sein! Rinaldo
marschierte vorn weg und bahnte uns mit seiner Machete den Weg, wo es nötig
war. Alles voll Pflanzen. Genau wie im botanischen Garten, auch von der Luft
her. Mit den langen Klamotten schwitzten wir noch mehr. Nach einer Weile trafen
wir auf ein Schlammloch. OK, man hätte es auch irgendwie umgehen können, aber
wenn schon Lianen da hängen, kann man ja auch ein bisschen Tarzan spielen.
Danach schnitt Rinaldo ein paar Palmen zu Fächern. Jeder bekam einen. So war
die Hitze besser zu ertragen. Danach zeigte er uns eine Pflanze, deren Stiele
man kaut, um Rückenprobleme zu heilen oder ihnen vorzubeugen. Jeder musste
auf einem Stück drauf rumbeißen. im Folgenden zeigte er uns einen Baum, dessen
Saft extrem giftig ist. Ein paar Tropfen töten einen Menschen in einer halben
Stunde. Kurz die Rinde eingeritzt und schon läuft die Suppe heraus. Die
Amazonasindianer nehmen das Gift für Jagdpfeile.
Auf einmal raschelte und grunzte es in der Nähe. Alle (bis auf Jesús) hörten
unruhig auf das Geräusch. Es waren Pekaris, amerikanische Wildschweine, die
abartig stinken und merkwürdige Klick - Geräusche von sich geben. Als sie uns
sahen, flüchteten sie. Der Gestank blieb.
Danach zeigte uns der Führer Lianen, die sich um den Baum wickeln und ihn
völlig aushöhlen. Die Liane ist dann fast einen Meter dick, der Baum tot. Aus
einer anderen Liane, knapp 10 cm dick, hackte er einen Meter gekonnt mit seinem
Messer ab. Man konnte sie hoch halten und das aus ihr rinnende Wasser trinken.
Jeder kostete, es lief eine ganze Menge raus.
Im Regenwald gibt es eine ganze Menge merkwürdiger Bäume, deren Wurzeln weit
über dem Erdboden ansetzen. Der Baum bildet in Richtung Sonne immer neue
Wurzeln und wirft die alten im Schatten langsam ab. So wandert er der Sonne
entgegen, im Schnitt 5 cm im Jahr.
Dann kamen wir zu einem Baum, dessen abgekratzte Rinde nach hochkonzentriertem
Knoblauch roch. Ein natürliches Autan. Inga nahm noch etwas für unser
Moskitonetz mit. Als nächstes kamen wir zu einem riesigen Baum mit noch
riesigeren Brettwurzeln. Der Baum sollte über 500 Jahre alt sein.
Sollte man aus irgendeinem Grund im Wald übernachten müssen, sollte man sich an so einem Baum zwischen die Wurzeln legen. Dann ist man vor Jaguaren relativ sicher, sie greifen fast immer von hinten oben an. Die Sachen von Schweiß völlig durchgeweicht, ging es dann zurück. Unterwegs konnten wir noch etwas Liane hangeln.
Zurück im Camp konnte man sich Badesachen schnappen und in einen Bach springen. 2 Sachen hinderten Inga und mich daran. Erstens hatten wir das Handtuch vergessen. Lufttrocknung würde Mückenüberfälle bedeuten. Außerdem geht der Urlaub zu Ende und wir hatten nicht mehr so viel saubere Sachen. Nach einem Bad in völlig vollgeschwitzte Sachen steigen bringt gar nichts. Also Zähne zusammen beißen und durch. Inga ging wenigstens mit den Füßen rein. Dann gab es mücken - und fliegenumschwirrtes Abendbrot.
Danach war die nervenkitzelnde Nachtwanderung angesagt. Im Dunkeln erwacht der Regenwald so richtig. Alles zirpt, pfeift und lärmt, dass es eine wahre Freude ist. Ein paar Brüllaffen lärmten sich an. Mit der Taschenlampe bewaffnet ging es los. Nach weniger als 100 m waren wir an einer Tierbeobachtungsstelle angekommen. Hier sollen sich verschiedene Tiere abends treffen und unseren Müll auffressen. Wenn man Glück hat, wird ein Tier Opfer eines Jaguars, der die Stelle auch kennt. Glück natürlich nur, wenn man nicht selbst das Opfer ist. Im Madidi - Nationalpark gibt es zum Glück noch relativ viele der mittlerweile sehr seltenen Jaguare. Jetzt hieß es Taschenlampen aus und hinsetzen. Wie bitte? Mitten auf das rum fleuchende Krabbelviehzeug? Etwa Taranteln zerdrücken? Macht schon, habt euch nicht so! Im Sitzen hörten wir auf jedes Rascheln. Aber keine Taranteln kamen. Auch keine anderen Tiere ließen sich blicken. Eine halbe Stunde saßen wir im Stockdunkel. Man hörte es schon Grollen am Himmel und dann fing es an zu regnen. Gerade noch rechtzeitig kamen wir ins Camp zurück, dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Aber richtig! Die Nachtwanderung war "ins Wasser" gefallen.
Der Führer meinte 30 - 60 Minuten, dann höre der Regen auf. In aller Hektik mussten wir ein paar Dachabdichtungsmaßnahmen durchführen. Dann sahen wir am Grasdach auch handtellergroße Spinnen. Und Kakerlaken in Übergröße marschierten an den Balken entlang. Irgend ein riesiges, wie eine megafette Grille aussehendes Vieh, weidete einen großen Käfer aus. Ein Horrorkabinett. Wir legten uns ins Bett. Der Regen war so laut, dass er den Lärm des Urwalds sogar übertönte. Wir schliefen trotzdem.
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