Tag 19: Di. 3.9.
Oruro - La Paz
Inga schlief wohl dann doch ein. Es war eisigkalt, was sonst. Nach halb 5 kamen wir in Oruro an. Der nächste Bus nach La Paz fuhr 5 Uhr. Auch in Oruro waren kaum mehr als 0 °C. Trotz der kalten Temperaturen gibt es in ganz Bolivien keine Öfen. Wenn es bei uns mal so richtig kalt wird, freut man sich doch immer auf eine warme Wohnung. Hier dagegen ist es abends und nachts am Unerträglichsten.
Der Bus nach La Paz war dann recht warm. Die 3-stündige Fahrt war dazu noch interessant. Inga schlief. Nach und nach tauchten die ersten schneebedeckten Kordillerenberge auf. Alle in dicke Wolken gehüllt. Ich überlegte schon, wie wir am besten zum Pfarrer Lutz hoch nach El Alto kommen würden. Er war ja schließlich der Auslöser der Reise. Aber zu meinem Erstaunen fuhren wir von El Alto, also von der gegenüberliegenden Seite, in die Stadt rein. Als die ersten Fahrgäste ausstiegen, taten wir es ihnen gleich.
Dann heuerten wir einen Taxifahrer an, der natürlich einen
Gringopreis von 15 Bs haben wollte. Für 10 Bs fuhr er uns dann. Aber weder
wusste er, wo die Kirche ist, noch kannte er den Straßennamen. Seine Kollegen
erklärten es ihm. Während der Fahrt versicherte uns der Taxifahrer, dass er
den Pater gut kenne. Au weh, wo fährt er uns nur hin?! Aber dann meinte er, wir
seien gleich da, und wirklich, der Straßenname stimmte.
Das Tor war zu, aber ein Jugendlicher kam schnell angelaufen. Der Taxifahrer
wechselte ein paar Worte mit ihm, und alles schien klar. Er wusste sofort, dass
wir zum Pater Lutz wollten. Er führte uns in das Gemeindehaus, wo schon der
Frühstückstisch für mehr als 6 Personen gedeckt war. Der Pater sollte gleich
kommen. Und das tat er auch. Er erkannte uns nicht gleich, wir hatten uns ja
erst einmal kurz vor 20 Monaten gesehen. Als wir dann die E-Mail zeigten, war
alles klar. Wir sollten natürlich gleich mit frühstücken, was wir auch gern
taten.
Außer einigen Bolivianern saßen noch zwei weitere Deutsche mit am Tisch, die
gerade ein Sozialpraktikum durchführten. Alle gehörten zum Projekt 'Movida
Boliviana', was sich mit obdachlosen Kindern und Jugendlichen, die
drogensüchtig sind, beschäftigte. Das Projekt lebt ausschließlich von
Spenden. Die Kirche wurde erst voriges Jahr gebaut. Vor dem Frühstück gab es
erst ein über 5-minütiges Gebet. Alle (außer uns), die lesen konnten, machten
mit. Lutz sprach noch über das Projekt, aber heute Nachmittag wollten wir uns
noch selbst live ein Bild davon machen. Lutz bot uns an, hinter der Kirche zu
schlafen und wir nahmen das Angebot an. Man zeigte uns unsere Zimmer.
Nun mussten wir aber schnell in die Stadt organisatorische Dinge erledigen. Schließlich brauchte ich ja mal wieder einen Reisepass. Zufällig musste Lutz auch in die Stadt, und so konnte er uns gleich den Abfahrtsort für die Minibusse zeigen. Da man für einen Pass wohl Passbilder benötigt, zeigte Lutz uns gleich noch einen Fotografen. Bei ihm dauerten die Bilder zu lange. Die Botschaft hatte nur bis 12 Uhr auf. Beim Nächsten ging es dann innerhalb von 25 min. Die Bilder waren furchtbar, aber was soll es. Wir nahmen ein Taxi zur Botschaft. Zu Fuß durch den Stau wären wir schneller gewesen. Nach kurzer Zeit war ich dran. Der Botschafter bot mir 2 Varianten an. Für mich kam aus Zeitgründen nur der Rückreisepass in Frage. Der war auch noch billiger und sollte morgen früh fertig sein.
Dann mussten wir noch McDoof antesten. Unser nächstes
Problem war ein Zeitproblem. Da wir (bzw. ich) noch in den Regenwald wollten,
läuft uns die Zeit davon. Die Fahrt nach Rurrenabaque (das einzige, was in
Frage kommt) dauert ca. 20 Stunden. Die Rückfahrt wahrscheinlich noch länger.
Dazwischen liegt die "Straße des Todes". 98 km Steilhang, bei dem
3500 Höhenmeter überwunden werden müssen. Die Strecke ist laut Statistik die
gefährlichste der Welt. Im Schnitt pro Tag ein Toter. Gestern ist erst wieder
ein Bus abgestürzt. 36 Tote. 110 in den letzten 3 Monaten. Auch zwischen La Paz
und El Alto war vorige Woche ein Minibus abgestürzt.
Es gibt eine bessere Möglichkeit nach Rurre zu kommen. Dazu müsste ich Inga
allerdings ins Flugzeug bringen. Angesichts der Katastrophen ist das kein
Problem. Deswegen war unsere nächste Station die bolivianische Luftwaffe TAM.
Sie fliegt in Bolivien die abgelegenen Ziele an. Nach langem Hin und Her
entschieden wir uns dann in 3 Tagen am Freitag zu fliegen und 5 Tage später am
Mittwoch zurück. Ist zwar mit 100 $ pro Mann teurer aber viel unkomplizierter.
Wir buchten dann sofort.
Danach fuhren wir mit dem Bus zurück nach Alto. Gegen 15 Uhr
beginnen die Movidas Boliviana mit ihrer Hauptarbeit. Eine Gruppe geht auf die
Straße und sucht Schuhputzer auf, die angeworben wurden. Diese arbeiten zum
Teil für sich, zum Teil geben sie Lutz das Geld, der es dann zur Bank bringt.
So können sie sich etwas Geld ansparen. Teilweise arbeiten sie am Tag und gehen
abends in die Schule. Auch ein Erfolg. Um die Anderen kümmert sich Lutz
persönlich. Bei seiner Tour waren wir dabei. Es sind die drogenabhängigen,
meist Alkohol- oder Klebstoffsüchtigen. Außerdem war noch einer der Deutschen
und eine Krankenschwester dabei. Sie gehen jeden Tag den gleichen Weg und
treffen dort auf einige Grüppchen. Vor der Tour werden jeden Tag ca. 90
Brötchen geschmiert, die verteilt werden.
Beim ersten Grüppchen versuchte Lutz nur Kinder zu überreden, abends in seine
speziell eingerichtete Übernachtungsstelle zu kommen. Auch in El Alto auf 4100
m Höhe ist nachts die Temperatur oft unter dem Gefrierpunkt. Außerdem wurden
natürlich Brötchen verteilt.. Ein Kind hatte dabei Leberzyrrhose im
Endstadium. Bei der nächsten Gruppe waren Zwei zu verarzten, die große
Schnittwunden am Arm hatten. Bei manchen, die Brötchen bekamen, sah man die
Verlegenheit in ihren Gesichtern. Andere warteten schon richtig auf ihr Essen.
Bei fast jeder Gruppe war Einer dabei, der ärztlich versorgt werden musste. Die
Tour war schon beeindruckend.
Danach liefen wir noch über den Markt. El Alto ist wirklich keine Gegend, wo man abends lang schlendert. Abends kurz vor Sonnenuntergang verzogen sich die Wolken aus dem Gebirge und der Blick war frei auf die schneebedeckten Gipfel des zweithöchsten Berges Boliviens, des Illimani (6440 m) und des Huayna Potosí (6088 m), den Berg, den ich noch mal besteigen will. Zwar wollten wir noch mal nach La Paz zum Essen, aber im Zimmer fielen uns beiden halb 9 die Augen zu.
--> Reisebericht Anfang <---> Home <--