Tag 13: Sa. 16.7.
Ilulissat

Bis halb 9 schliefen wir. Dann gab es Frühstück. 2 Programmpunkte sind heute geplant. Zum einen der Eisfjord selbst, zum anderen eine Mitternachtsbootstour zwischen den Eisbergen. Der Eisfjord wird gespeist vom produktivsten Gletscher der Nordhalbkugel, dem Sermeq Kujalleq bzw. Jakobshavn Isbræ (Südlicher Gletscher). Dieser schiebt sich täglich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von aktuell ca. 40 m pro Tag in den Fjord. Dabei brechen bis zu einen Kilometer hohe und mehrere Kilometer lange Eisberge ab. In den letzten Jahrhunderten zog sich der Gletscher immer weiter zurück. Mittlerweile liegt die Eisabbruchkante nicht mehr im Wasser sondern auf Land, sodass die Eisberge i. Allg. nicht mehr so groß wie früher sind. Trotzdem findet man welche, die um die 100 m über dem Wasser herausragen. Sie schwimmen dann innerhalb eines Jahres durch den Fjord, der über 40 km lang und 6 km breit ist. Am Ausgang des Fjordes existiert in 200 m Wassertiefe eine Moräne. Die großen Eisberge bleiben daran hängen und stauen das Eis dahinter auf. Das führt dazu, dass der Fjord komplett mit Eisbergen gefüllt ist. Eine einzige weiße undurchdringliche Masse. Ist der Druck dahinter groß genug, oder taut der Riese vorn ab oder kippt um, strömen unvorstellbar viele Eisberge ins offene Meer hinaus, bis sich der nächste verklemmt.

Wir hatten Glück, denn kurz vor unserer Ankunft muss so ein Ausbruch passiert sein, denn sonst sieht man nicht immer soviel Eis wie wir während unseres Aufenthaltes. 2004 hat die UNESCO den Ilulissat-Eisfjord zum Weltnaturerbe erklärt. Und heute werden wir ihn uns anschauen und dran lang wandern. Weltnaturerben müssen natürlich gepflegt werden. Und so hatte man einen Holzsteg vom Zeltplatz zum Ufer des Fjordes gebaut. Für die Touristen, die mit den Kreuzfahrtschiffen hier anlegen, gibt es einen kurzen Rundweg. Wir nahmen einen längeren blau markierten. Wenn man ans Ufer des Fjordes kommt, sieht man überall Schilder mit Lebensgefahr-Warnhinweisen. Wenn nämlich ein großer Eisberg umkippt oder zerbricht, entstehen Flutwellen von bis zu 6 m Höhe. Dementsprechend sind die Ufer bis auf geschätzte 4 m hoch auch völlig vegetationslos. Die Wellen sind so schnell da, dass man schleunigst nach oben verschwinden sollte. Laut Astrid wurden tatsächlich schon Menschen mit der zurückweichenden Welle ins Meer gezogen. Bei -2 °C Wassertemperatur sind die Überlebenschancen überschaubar. Wie gefährlich Eisberge sein können, sieht man auch an der Titanic, deren tödlicher Gegner aus diesem Fjord stammte. Der Eisberg, den man am weitesten entfernt von hier nachgewiesen hat, schwamm vor den Azoren.

Der Eisfjord ist großartig. Nicht nur der visuelle Eindruck sondern auch die Geräusche sind überwältigend. Ein Knarren und Donnern, wenn Eis abbricht oder ganze Berge zerbersten. Und bei der Menge passiert immer etwas. Kein Wunder, dass wir mal wieder nicht so richtig voran kamen mit unserer Wanderung. Alles wollte fotografiert werden. Wir sahen einen Hubschrauber, der vom Gletscher geflogen kam. Man kann Hubschraubertouren zum Sermeq Kujalleq buchen, aber die sind so teuer, dass man es lieber lässt. Dieser Hubschrauber landete allerdings in weiter Ferne auf dem Eis. Durch seine große Entfernung wirkten die Eisberge um ihn rum noch viel riesiger. Irgendwann flog er weiter. Wir haben nicht raus gefunden, was er da gemacht hatte. Noch war das Wetter gut, die Sonne schien meist. Doch so langsam zog sich der Himmel zu und verhieß nichts gutes. Die letzten Sonnenstrahlen nutzend, machten wir Mittagspause. Der Wind war recht stark und irgendwann war es vorbei mit dem schönen Wetter.

Noch konnten wir eine Weile im Trockenen laufen, aber irgendwann fing es an zu nieseln. Als wir vom Eisfjord in Richtung Landesinnere wanderten, war es dann richtiger Regen, der die nächsten Stunden nicht mehr aufhören sollte. Viele Steine sind mit Algen und Flechten bewachsen. Die sind teilweise glatt wie Schmierseife. Als es dann über einen ca. 140 m hohen Pass ging, waren wir in Nebel eingehüllt. Von der Landschaft war kaum noch was zu sehen. Der Abstieg in Richtung Ilulissat war infolge des Regens und der glatten Steine nicht ganz einfach. In etwas tieferen Gefilden war der Nebel dann weg und man sah Ilulissat.


Etwas unschlüssig, was wir nach der Wanderung bei diesem Wetter noch tun könnten, trennten wir uns. Ein paar von uns gingen zum Zeltplatz, einige in ein Café. Hier gab es Capuccino und Zeit zum Tagebuch schreiben. Später liefen wir auch zum Zeltplatz, da wir das Krabbenessen vorbereiten wollten. Unterwegs kam noch die Idee auf, eine Flasche Weißwein aus dem Supermarkt zu kaufen. Leider kannten wir nicht die grönländischen Gesetze, denn am Wochenende gibt es nach 13 Uhr keinen Alkohol mehr zum Verkauf. Angeblich hat man u. a. durch diese Maßnahme die Anzahl der Alkoholiker in Grönland senken können. Nun gut, zumindest sparten wir eine Menge Geld. Eine Überraschung erlebten wir dann auf dem Zeltplatz, denn alle Krabben waren schon gepult! Die, die nicht mit im Café waren, hatten ganze Arbeit geleistet. Und das Essen war eine Pracht! So viele Garnelen hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gegessen. Dazu hatte Astrid eine Mousse au Chocolat gemacht, die allerdings zu flüssig geworden war. Das führte dazu, dass ich mich erweichen lassen musste (oh ich Armer...), viel zu viel davon zu schlabbern...

Unsere zweite Tagestour, die Mitternachtsbootsfahrt, stand bei diesem Regenwetter unter einem schlechten Stern. Bzw. unter gar keinem. Zumindest war keiner zu sehen. Der Regen war nicht mehr ganz so stark, teilweise nieselte es nur oder hörte ganz auf. Aber eine Sonne ließ sich nicht blicken. Da wir aber bezahlt hatten, stiegen wir um 23 Uhr trotzdem auf Willis Schiff und steuerten Richtung Fjordausgang. Die Fahrt war auch ohne Sonne spannend. Hier lagern die großen Eisberge, die den Fjord versperren. Die Sache ist nicht ganz ungefährlich, vor allem, wenn man zu nah an die Eisriesen fährt. Denn wenn einer davon umkippt oder bricht, sollte man auf jeden Fall einen Fluchtausgang haben.

Nach der Hälfte der Fahrt hielten wir an. Willi holte etwas Eis aus dem Wasser. Das zerstießen wir und mittels einer plötzlich auftauchenden Whiskeyflasche konnte man einen schönen Effekt beobachten. Das Jahrmillionen alte Eis lagert unter unvorstellbar hohen Druck eingebettet im Festlandeis. Lufteinschlüsse werden dadurch extrem zusammengepresst. Irgendwann wird es durch den Gletscher ins Meer entlassen. Als die Eiswürfelchen im Whiskeyglas schmolzen, explodierten die winzigen Luftblasen im Eis regelrecht  und man hörte es leise "knallen". Die Fahrt durch die Eisberge war begleitet von viel Nebel. Wenn das Boot ruhig dahintuckerte, meinte man fast, dass demnächst gleich ein Piratenschiff auftauchen wird. Auf jeden Fall zauberte dieser Nebel eine interessante Atmosphäre. Damit ergaben sich auch wieder viele Fotomotive. Über dem Wasser zwischen dem Eis waren nur noch 2 °C Lufttemperatur.

Nachdem wir wieder angelegt hatten, brachte uns ein Auto zum Zeltplatz zurück. Da unser Trinkwasser zur Neige ging, hielten wir unterwegs noch an und füllten alle Wasserkanister. Wenn man schon mal ein Auto hat... Gegen 0:30 Uhr waren wir zurück. Eine angenehm kühle Nacht mit 5°C erwartete uns in den beregneten Zelten.

  

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